Automatisierung

Mini-Datenlogger ermitteln Fahrkomfort in Zügen

11.06.2015 -

Ob Straßenbahn, Regionalbahn oder Zahnradbahn: Passagiere stellen heute hohe Anforderungen an den Fahrkomfort. Um diesen zu ermitteln, nutzt ein Hersteller von Schienenfahrzeugen Datenlogger. In den Zügen erfassen die kleinen Geräte Beschleunigungen in allen drei räumlichen Achsen.

Komfort, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit: Bei Schienenfahrzeugen muss sich der Hersteller den Anforderungen von Betreibern, Reisenden und Gesetzgebern gleichermaßen stellen. Dessen ist man sich auch bei Stadler Rail, Hersteller von Schienenfahrzeugen, bewusst. So sind für die Fahrtsicherheits- und Fahrkomfort-Messungen Experten zuständig: Karl Tillmetz im Werk Bussnang und Claudia Kossmann im Werk Altenrhein. „Bei diesen Aufgaben“, so Tillmetz, „unterstützt uns der Mini-Datenlogger von MSR mit integrierten 3-Achsen-Beschleunigungssensoren.“

Der subjektiven Wahrnehmung entgegentreten
Entwickelt und hergestellt werden die Mini-Datenlogger von MSR Electronics mit Sitz in Seuzach, Nähe Winterthur. Das noch junge Unternehmen hat sich auf miniaturisierte, autonom einsetzbare Universal-Datenlogger spezialisiert. Mithilfe von empfindlichen Sensoren erfassen die Logger physikalische und elektrische Messdaten wie Temperatur, Feuchte, Druck, Helligkeit, Vibrationen und weitere elektrische Spannungswerte. Bei Stadler werden die Datenlogger beispielsweise zur Klärung von plötzlich auftretenden Schwingungs- oder Vibrations-Phänomenen beim Betrieb eines Schienenfahrzeuges eingesetzt.

Die für MSR-Datenlogger charakteristischen Merkmale –  autonom, geringe Baugröße, großer Speicher – sind laut den Stadler-Ingenieuren ideal, wenn es darum geht, rasch Messungen durchzuführen, bei Bedarf auch inkognito Die kleinen Datenrecorder sind schnell installiert und ermöglichen eine rasche Aussage über den Schwingungs-Fahrkomfort eines Zuges. „Die Anforderungen der Passagiere an den Fahrkomfort und damit an das Schwingungsverhalten sind in den letzten Jahren permanent gestiegen“, erklärt Tillmetz. „Mit Testfahrten, bei welchen wir mit den Datenloggern die Beschleunigungen auf dem Fußboden im Wagen in allen drei räumlichen Achsen über den Fahrwerken sowie in der Wagenmitte erfassen, sorgen wir für objektive Messwerte und damit für Klarheit, was den Fahrkomfort betrifft.“

Fahrzeugschwingungen werden von Stadler in einem Frequenzbereich von 0 bis 100 Hz erfasst. Die Abtastrate der MSR-Datenlogger wird bei den Testfahrten jeweils auf 400 Hz eingestellt, so Kossmann. Möglich, aber im vorliegenden Anwendungsfall nicht sinnvoll, wären beim verwendeten Modell MSR165 Messraten von bis zu 1.600 Messungen pro Sekunde. Zur Datenaufzeichnung werden die Logger auf dem Fußboden auf Grundplatten mit Spikes befestigt. Gefahren wird bei den Testfahrten mit möglichst konstanten Geschwindigkeiten (bisher bis zu 200 km/h). Je nach Anforderung kommt man mit kurzen Einzelmessungen aus, manchmal sind aber auch mehrtägige Messreihen sinnvoll.

Auswertung der Daten
Um die Daten auszuwerten, exportieren die Ingenieure alle Logger-Daten per .csv-File in die Mess-Auswerte-Software Famos. Eine darin programmierte Routine filtert die Signale nach der europäischen Fahrkomfort-Norm EN 12299 (beziehungsweise UIC 513) und bewertet sie mittels Frequenzanalyse, Statistik und Zielwertvergleich. Komfortmessungen führt das Stadler-Team selbstverständlich nicht nur an bereits in Betrieb genommen Schienenfahrzeugen durch. Mit ihren Untersuchungen sorgen die Fachleute bereits an Prototypen und bei der Erstabnahme von Serienfahrzeugen dafür, dass die vom Kunden im Pflichtenheft genannten Komfortwerte eingehalten werden.

Bewertung der dynamischen Fahrstabilität
Auch bei den Fahrsicherheitsmessungen gilt es, klare Normen und Richtlinien einzuhalten (EN 14363 beziehungsweise UIC 518). Diese kommen nicht nur bei Neuzulassungen zur Anwendung, auch bei Modifikationen sind sie zu berücksichtigen. Wie Tillmetz als Beispiel aufführt, ist letzteres aktuell bei einem Schweizer Kunden – der Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) – der Fall, dessen Fahrzeuge des Typs BDkt (Kofferkuli-Steuerwagen, Baujahr 1990) modernisiert werden. Der sogenannte Refit von Stadler umfasst unter anderem Klapptritte, automatische Kupplungen, moderne Führerstands- und Leittechnik und eine Anpassung des Außen-Designs an die aktuellen Design-Leitlinien der MGB-Flotte. Die für 80 km/h gebauten Züge der MGB waren bislang nur mit 65 km/h im Einsatz gewesen.

Für den Betrieb im Zugverband mit der Fahrzeugfamilie Komet muss nun die Fahrstabilität zusätzlich noch für 80 km/h (+10 km/h Reserve) nachgewiesen werden. Auch für diese Tests greifen Tillmetz und seine Kollegen auf die Mini-Datenlogger von MSR Electronics zurück. Der Test für Fahrsicherheit wird dabei in Anlehnung an EN 14363 – die Norm ist eigentlich für Normalspur gültig – durchgeführt. Für die Testmessungen stellt der Ingenieur die Messfrequenz der Datenlogger wiederum auf 400 Hz ein und befestigt vier Stück am Fahrwerkrahmen des Zuges (in der Zwischenebene Räder/Wagenkasten auf der Position des Radsatzes).

Von den 15-g-Sensoren werden nun während der rund zehnminütigen Fahrten die Beschleunigungen in Querrichtung am Fahrwerkrahmen über allen Radsätzen gemessen. Die Messungen erfolgen insgesamt über circa sechs Stunden während aller Pendelfahrten. Die Mess-Züge sind dabei stets zwischen den planmäßigen Zügen eingereiht. Die konstante Geschwindigkeit des Zuges während den Testfahrten beträgt 60, 70, 80 beziehungsweise 90 km/h. Alle mit den Datenloggern aufgezeichneten Signale werden anschließend mit der Auswerte-Software Famos nach EN 14363 gefiltert und bewertet (Frequenzanalyse, Statistik, Grenzwertvergleich) und ermöglichen so eine präzise Aussage über die Fahrstabilität des geprüften Zuges.

Neue Varianten: Entwickeln für die Zukunft
Doch laut Tillmetz und Kossmann stoßen die Anwendungen der MSR-Datenlogger bei Stadler durchaus auch an ihre Grenzen. So wünschen sich die beiden Ingenieure für Messaufgaben eine genauere Auflösung. Der 15-g-Sensor, welcher in den MSR165-Datenloggern eingebaut ist, verfügt über eine Genauigkeit von ±0,15 g bei einer Auflösung von 0,005. Diese reiche zwar für ihre Anwendungen in den meisten Fällen aus, so Kossmann, eine Genauigkeit von 0,003 g wäre jedoch wünschenswert.

Möglich wäre zwar der Einsatz eines anderen Datenloggers vom Typ MSR160, welcher über vier analoge Eingänge verfügt und mit eigenen, dem gewünschten Messbereich genau entsprechenden Sensoren bestückt werden kann, da diese jedoch extern angebracht werden müssten, eigenen sie sich für Stadler nicht wirklich. Wendelin Egli, Geschäftsführer von MSR Electronics, zufolge basiert der für die MSR165-Datenlogger verwendete Messbereich von 15 g darauf, dass der Logger-Typ ursprünglich für Schockmessungen entwickelt wurde. Aufgrund der großen Nachfrage für Anwendungen im Bereich der Transportüberwachung hat MSR den Messbereich bereits auf 200 g erweitert, damit auch intensivere Schock-Ereignisse mit erheblich größeren Kräften  aufgezeichnet werden können.
Werden nun auch Logger-Varianten mit kleinerem Messbereich entwickelt?

Diese Frage bejaht MSR-Geschäftsführer Wendelin Egli. Er erhalte gerade aufgrund der Etablierung des MSR165-Datenloggers vermehrt Anfragen und sieht Potenzial. „Mit unseren Datenloggern bewegen wir uns in einem Nischenmarkt. Unser unternehmerischer Erfolg beruht mitunter darauf, dass wir nahe am Kunden sind und als Spezialist die Bedürfnisse direkter erfüllen können als Unternehmen, welche auf den Gesamtmarkt ausgerichtet sind. Wenn unsere Kundschaft also Sensoren mit einem kleineren Messbereich wünscht, dann werden wir unser Möglichstes tun, um diese Wünsche zu erfüllen.“

Bei Stadler würde man das Angebot eines MSR165 mit einem Sensor mit kleinerem Messbereich auf jeden Fall begrüßen. Bis dahin, so Kossmann, habe auch der MSR165-Datenlogger mit 15-g-Sensor seine Berechtigung, denn „er ermöglicht uns rasche und präzise Aussagen sowie unkomplizierte und zeiteffiziente Messungen, und dies bei überschaubaren Kosten.“
 

Kontakt

MSR Electronics GmbH

Mettlenstrasse 6
8472 Seuzach
Schweiz

+41 52 316 2555

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