Automatisierung

Der E-LKW: Tesla im Fokus einer umfassenden Marktübersicht

Batterie oder Brennstoffzelle? Der Umstieg auf den vollelektrischen Verteilerverkehr

08.12.2017 -

Übersicht

1.  Der Tesla Semi

2.  Daimler

3.  Batterie oder Brennstoffzelle?


Der Elektroautokonzern Tesla tritt mit dem elektrischen Schwerlaster Tesla Semi in den LKW-Markt ein. Die Produktion soll 2019 starten, bis dahin kann man den E-Laster bereits vorbestellen. Während es abzuwarten bleibt, ob der geplante Produktionstermin des Teslas eingehalten wird, hat auch Konkurrent Daimler bereits seine elektrischen Modelle für den schweren Verteilerverkehr angekündigt. Doch wie zukunftsfähig sind die batteriebetriebenen Wagen überhaupt?

Nachdem der Termin mehrmals verschoben wurde, stellt Tesla im November 2017 seinen ersten vollelektrischen LKW vor, der 2019 in Produktion gehen soll. Damit will der Elektrokonzern beim Bedienen der steigenden Nachfrage nach elektrischen Wagen am LKW-Markt mitmischen: Die zunehmende Urbanisierung sowie die Diskussion um Einfahrrestriktionen erfordern langfristig auch einen elektrischen Verteilerverkehr, um den Lärmpegel und CO²-Emissionen in Städten zu senken.

Wie platziert sich die Konkurrenz?

Tesla konkurriert hierbei vorrangig mit dem Platzhirsch Daimler, der bereits einige Monate zuvor sein Modell eines vollelektrischen Schwerlasters vorstellte. Der Daimler Urban eTruck soll nach eigenen Angaben noch dieses Jahr in Kleinserie erscheinen und wäre somit der erste vollelektrische schwere Verteiler-LKW weltweit. Auch die Tochterfirma Fuso, welche den eCanter, einen elektrischen Leicht-LKW, bereits in der dritten Generation auf den Markt bringt, arbeitet schon an einem schweren E-LKW, dem Vision One. Dieser soll 2021 in Serie gehen. Leichte und mittelschwere Laster sind zum Beispiel in der Schweiz von der Marke E-Force auf dem Markt und Ford arbeitet an einem großen Elektro-Lieferwagen für die Deutsche Post, dem Streetscooter Work XL. Bis Ende 2018 sollen 2500 Fahrzeuge des Modells produziert worden sein, welche auch an Drittkunden verkauft werden. Von den Vorgängermodellen hat die Deutsche Post gut 3000 Stück im Betrieb.

Reichweite und Ladedauer

Den Tesla Semi soll es in zwei Varianten geben. Die günstigere Variante kommt mit einer kleineren Batterie und dadurch einer Reichweite von 480 Kilometern, die andere mit einer größeren Batterie, welche eine Reichweite von 800 Kilometern ermöglichen soll. Mit dieser enormen Reichweite hebt sich Tesla deutlich von der Konkurrenz ab, deren vorgestellte Modelle bisher nicht einmal die Hälfte dieser Strecke schaffen. Somit wäre der Truck nicht nur für eine Tagestour im städtischen Verteilerverkehr geeignet, sondern gerade auch für Langstrecken. Besonders interessant ist hierbei auch die Ladedauer, die für 80 Prozent des Akkus gerade mal 30 Minuten betragen soll. Um dies zu gewährleisten, wird mit einem sogenannten „Megacharger“ von Tesla geladen.

Technologie und Design

Technologien wie ein Kollisionswarnsystem, ein Notbremsassistent, Spurhaltefunktion und Platooning sollen den LKW besonders sicher und anwenderfreundlich machen. Beim Platooning reihen sich mehrere Fahrzeuge mit Hilfe eines Steuerungssystems in sehr geringem Abstand hintereinander, ohne dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden soll. Durch das Fahren im Windschatten eines anderen LKWs kann so Energie gespart werden. Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, sitzt der Fahrer nicht mehr rechts oder links im Führerhaus, sondern mittig. Durch vier Motoren, jeweils direkt an den Radnarben, wird jedes Rad separat angesteuert. Laut Tesla macht das futuristisch wirkende Design des Semi den Wagen besonders windschlüpfrig.

Beschleunigung und Wirtschaftlichkeit

Tesla wirbt mit einer Beschleunigung auf 96km/h in nur fünf Sekunden, einer Höchstgeschwindigkeit von über 100km/h und der hohen Geschwindigkeit bei einer Steigung von fünf Grad. Als zu erwartenden Preis gibt das Unternehmen 180.000 Dollar für den LKW mit großer Batterie an. Durch im Vergleich zu Diesel günstige Strompreise soll der Anwender laut Elon Musk, CEO von Tesla, pro Jahr 200.000 Dollar einsparen, was eine hohe Wirtschaftlichkeit des E-LKWs für die Fuhrunternehmen bedeuten würde.

Negative Presse um Konzernchef Musk

Durch Produktionsschwierigkeiten bei Model 3 war die Presse um das Unternehmen und seinen CEO alles andere als positiv gestimmt. Während die vielen entgegengenommenen Vorbestellungen nicht rechtzeitig erfüllt werden können, mangelt es Musks Unternehmen zudem an Wirtschaftlichkeit. Da zum Zeitpunkt der Vorstellung des Tesla Semi das Konzept des Lasters noch nicht ganz ausgereift scheint - viele Angaben basieren auf Erwartungen von Entwicklungen im nächsten Jahr - entsteht der Eindruck, Tesla wolle mit der Vorstellung neuer Modelle von negativen Schlagzeilen ablenken und die Investoren bei Laune halten.

Reichweite auf Kosten der Nutzlast?

Die hohe Reichweite des Trucks resultiert aus einer extrem hohen Batteriekapazität. Eine solche Batterie muss sehr groß und sehr schwer sein, was vermuten lässt, dass die Nutzlast des LKWs unter der Reichweite leidet. Zu dieser hat Tesla bisher noch keine Angaben gemacht, das Unternehmen gab lediglich ein Gesamtgewicht von 40 Tonnen bekannt. Dazu kommt, dass der LKW nur mit einer einzigen Batterie versehen wird. Somit existieren keine redundanten Systeme - bei einem Batterieausfall ist der komplette Wagen lahm gelegt, es funktioniert nichts mehr.

Hohe Ziele trotz Produktionsschwierigkeiten

Um 80 Prozent der Batteriekapazität innerhalb einer halben Stunde zu laden, sollen also Teslas Megacharger genutzt werden. Allerdings existieren diese Megacharger noch nicht und es bleibt abzuwarten, ob Tesla es schafft, bis zum Produktionsstart ein Netzwerk dieser Charger aufzubauen. Schließlich ist das Unternehmen zurzeit noch mit der Produktion seines Model 3 beschäftigt, wovon im vergangenen Quartal nur etwas mehr als ein Sechstel des Produktionsziels erreicht wurde. Alternativ kann der Tesla Semi mit den bereits bestehenden Superchargern geladen werden, was jedoch deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die Produktionsschwierigkeiten haben allerdings nicht nur Einfluss auf den Aufbau eines Megacharger-Netzwerks; damit wird auch der für 2019 angesetzte Produktionsstart zweifelhaft.

Kostengünstig nur in den USA

Elon Musks Angabe, mit dem E-LKW jährlich 200.000 Dollar gegenüber einem Diesel-Modell zu sparen, beziehen sich auf US-amerikanische Strom- und Treibstoffpreise. Da Strom in den USA deutlich günstiger ist als in Deutschland, lassen sich diese Werte nicht für deutsche Fuhrunternehmen übernehmen.
Dazu kommt, dass die mittige Sitzposition eine starke Umgewöhnung für den Fahrer bedeutet. So können diese beim Rangieren nicht mehr aus dem Fenster schauen, sie können niemanden mitnehmen und auch das allseits beliebte „Rauchen aus dem Fenster“ wird schwierig. Das ist für Tesla ein cleverer Schachzug, um das Bauen unterschiedlicher Modelle für Rechts- und Linksfahrer zu vermeiden, auch ersetzen diverse Kameras den Blick aus dem Fenster. Wie das die Fahrer beurteilen, bleibt abzuwarten.

Wie schneidet Tesla im Vergleich zur Konkurrenz ab?

Dass Tesla nun einen LKW auf den Markt bringt, wird von manchen als Angriff auf Daimler verstanden. Doch inwieweit kann das Elektrounternehmen mit der langjährigen Marktgröße und seinem ehemaligen Partner überhaupt konkurrieren? Der Schwerlaster Urban eTruck soll ab 2020 in Serie produziert werden, der E-Fuso Vision One ab 2021. Der eCanter liefert, dadurch dass er bereits seit einem Jahr auf den Straßen ist, Daimler dabei bereits einen Praxis-Test für die beiden großen Modelle. So konnten zum Beispiel auch die Batterien bei extremen Temperaturen getestet werden. Sollte Daimler es schaffen, seinen Schwerlaster wie angekündigt noch dieses Jahr in Kleinserie auf den Markt zu bringen, wäre das Unternehmen weltweit das erste mit einem vollelektrischen schweren Verteiler-LKW.

Daimler: Anwenderorientierung statt Rekord-Beschleunigung

Vergleicht man den Tesla Semi mit den E-LKWs von Daimler Trucks und Tochterfirma Fuso, fällt eines schnell auf: Während Tesla mit Höchstgeschwindigkeit und Rekord-Beschleunigung wirbt, betont Daimler vor allem die praktischen Vorteile der Wagen. So sorgen bei allen Modellen mehrere Batterien für redundante Systeme und individuelle Anpassungsfähigkeit. Ein Fuhrunternehmen, das weite Strecken zurücklegt, kann auf Kosten der Nutzlast eine weitere Batterie nutzen. Genauso kann ein Unternehmen, das auf kürzere Strecken große Lasten transportiert, auf eine Batterie verzichten, um die Nutzlast zu erhöhen.

Einen Vorteil im Hinblick auf die Kosten sollen Batteriespeicher bieten. Diese kann man vollladen, wenn der Strom sehr günstig ist und dann bei Bedarf verbrauchen. Zum Laden wird ein genormter Combo-2-Stecker genutzt. Dieser Stecker basiert auf dem Typ-2-Stecker, der nach Einigung der ACEA und der EU als Standard für den Ausbau der Ladeinfrastruktur zur Anwendung kommen soll. Anders als der einfache Typ-2-Stecker ermöglicht der Combo-2-Stecker auch die Schnellladung, das heißt eine Ladung von ebenfalls 80 Prozent in 30 Minuten.

Im Hinblick auf Reichweiten orientiert sich Daimler zunächst am städtischen Verteilerverkehr, sodass die Reichweite für übliche Tagestouren ausreicht. Der Vision One soll bei einem Gesamtgewicht von 23 Tonnen, davon elf Tonnen Zuladung, eine Reichweite von 350 Kilometern haben, während der Urban eTruck bei einem Gesamtgewicht von 26 Tonnen und einer Nutzlast von 12,8 Tonnen eine Reichweite von 200 Kilometern aufweisen soll.
Damit sind die Modelle weit entfernt von der Reichweite des Tesla Semi. Allerdings erfüllen sie ihren Zweck: Sie sind geeignet, um Einfahrrestriktionen aus dem Weg zu gehen und Lärm und Luftverschmutzung in den Städten zu verringern. Bis elektrische LKWs auch für den Langstreckentransport sinnvoll eingesetzt werden, vergeht vermutlich noch einige Zeit.

Batterie oder Brennstoffzelle

Die Frage ist, ob Elektro-LKWs mit Batterie überhaupt geeignet sind, die Diesel-Modelle vollständig zu ersetzen. Gerade für den Verteiler-Verkehr sind Batterien, die eine genügende Kapazität aufweisen, um Langstrecken zu fahren, zu groß und zu schwer. Somit ist es kaum möglich, sehr lange Strecken mit schwerer Last mit Energie aus Batterien zurückzulegen. Dazu kommt, dass für die Herstellung der Batterien Lithium, Kobalt, Mangan und Nickel abgebaut wird. Sind die Akkus am Ende, müssen sie irgendwie entsorgt werden – eine Belastung für die Umwelt. Eine Möglichkeit, dies zu vermeiden, wäre die Stromzufuhr durch Oberleitungen wie bei Straßenbahnen. Da das aber eine komplette Umwälzung der Infrastruktur bedeutete, liegt auch hierin keine zufriedenstellende Lösung.

Vor- und Nachteile der Brennstoffzelle

Eine sinnvollere Alternative wären LKWs mit Wasserstoffantrieb. Dabei wird durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff Energie erzeugt. Der Wasserstofftank benötigt weniger Volumen und Gewicht als Batterien mit der gleichen Energiemenge, außerdem ist die Tankdauer deutlich geringer. Folglich können auch weite Strecken mit schwerer Last gefahren werden. Zusätzlich ist das Verfahren im Grunde umweltfreundlicher, da kein Strom getankt wird, der zuvor erzeugt werden muss.

Um Wasserstoff herzustellen gibt es unterschiedliche Verfahren. So ist die Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas besonders preisgünstig, löst aber keine Klima- und Ressourcenprobleme. Die umweltfreundlichere Variante ist die Elektrolyse, bei der Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen in Wasser- und Sauerstoff zerlegt wird. Dafür könnte überschüssiger Ökostrom verwendet werden, wodurch Solar- oder Windenergie sogar besser ins Energiesystem integriert werden könnten. Besonders im Hinblick auf den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen liegt hierin eine sinnvolle Alternative.

Problematisch ist allerdings der Einsatz von Platin für die Brennstoffzelle. Platin ist eine endliche Ressource und zudem teuer. Hierzu entwickelte Daimler aber bereits zusammen mit Ford ein neues Brennstoffzellensystem, bei dem schon 90 Prozent weniger Platin verbaut wird.

Förderung der Brennstoffzellen-Technologie

Jedoch ist die Herstellung dieser Wasserstoffantriebe immer noch sehr teuer und es gibt auch noch keine Infrastruktur zum Wasserstofftanken. Daran arbeiten aber der Gase-Konzern Linde und die Tankstellenkette Shell. Sie wollen bis 2023 insgesamt 400 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland einrichten. Eine weitere Initiative zur Förderung des Wasserstoffantriebs ist der „Hydrogen Council“ mit einer wachsenden Anzahl an Mitgliedsunternehmen, darunter auch Daimler und Linde. Hier arbeiten global agierende Energieerzeuger und Energieverwender wie Automobilhersteller zusammen, um die Erzeugung, Lagerung und Anwendung von Wasserstoff zu optimieren. Gefördert werden auch die benötigte Infrastruktur und die Bezahlbarkeit der neuen Technik.

Auf einen Blick

Insgesamt lässt sich also sagen, dass die batteriebetriebenen Wagen zurzeit noch keine langfristige Lösung zur Abschaffung von Verbrennungsmotoren sind. Dazu sind die Batterien bei ausreichender Kapazität einfach zu schwer und auch nicht umweltfreundlich genug. Sie sind eher als Übergangslösung zu bewerten, bis die Herstellung von Wasserstoffantrieben oder anderen Brennstoffzellen günstiger ist. Denn technologisch sind die Brennstoffzellen-Fahrzeuge bereits ausgereift, lediglich die Kosten müssen noch reduziert werden. Offen bleibt die Frage, wie lange es noch dauert, bis der Wasserstoffantrieb salonfähig wird und ob auch Tesla bald an Fahrzeugen mit Brennstoffzellen arbeitet oder ob das Unternehmen in seinen Produktionsschwierigkeiten und Vorbestellungen seiner Elektroautos stecken bleibt.

 

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