Automatisierung

Automobilbauer setzt seit 5 Jahren auf Profinet und Profisafe

07.06.2011 -

Seit fünf Jahren wird die Kombination aus Profinet und Profisafe in der Automobilindustrie eingesetzt. 680 Profinet-Controller, 20.000 Profinet-Devices, 50.000 m Profinet-Leitung sowie 25.000 Baustellen-konfektionierte Stecker/Leitungen sind beispielsweise bei Audi in diversen Linien im Einsatz. Zeit, Bilanz zu ziehen.

Durchgängigkeit und Standardisierung waren die Hauptmotivation für Audi, vor fünf Jahren Profinet und Profisafe in den Fertigungsanlagen des Automobilherstellers einzuführen. Die Ausgangssituation in den Anlagen in Bezug auf die Automatisierung war klassisch. Für die I/O-Kommunikation, Diagnose und Parametrierung wurde der Feldbus eingesetzt, das Ethernet versorgte die zentralen Anlagen und war für die Datensicherung zuständig und Sicherheitsrelais sorgten für die richtige Schaltung von Not-Aus, Schutztüren etc.-Im ersten Schritt ging es darum, die Verkabelung und die Bussysteme zu reduzieren. Dadurch sollte eine minimierte Ersatzteilhaltung möglich sein und die Schnittstellen verringert werden. Zweiter wichtiger Aspekt war das durchgängige Engineering. So wollte man die Engineering-Tools verringern, Doppeleingaben vermeiden und die Datenhaltung vereinheitlichen. „Letztendlich sollte das anlagenweite Engineering vereinfacht werden", fasst Arjen Kreis, zuständig für die Automatisierung und verantwortlich für Karosseriebauten bei Audi in Neckarsulm und China, die damalige Situation zusammen. Nebeneffekte wie eine einheitliche Installationstechnik oder ein geringerer Schulungsaufwand kamen hinzu.

Offen bleiben für die Zukunft

Die Anforderungen an ein neues Übertragungsmedium waren immens, aber nicht unlösbar. Zunächst sollten die sichere- und nicht-sichere I/O-Kommunikation und der Transport großer Datenvolumen über ein Kabel funktionieren. Für die Praxis war entscheidend, dass die Koexistenz zu diversen Protokoll-Standards (TCP/IP u.a.) gewährleistet blieb, trotzdem aber die Echtzeitfähigkeit möglich ist. Die Diagnosemöglichkeiten sollten mindestens so gut sein wie bisher bei den Feldbussen. Gleiches galt für das Installationskonzept. Auch der offene Kommunikations-Standard war Pflicht. Schließlich wollte man für künftige Entwicklungen weiter offen bleiben. Grundsätzlich sollte die Entscheidung im Einklang in der AIDA fallen. Die Automatisierungsinitiative AIDA e.V. gründete sich 2003 mit dem Ziel der Vereinheitlichung und Standardisierung von Technologien, insbesondere der einfachen und einheitlichen Anbindung der eingesetzten Automatisierungskomponenten. Damit sollte der Entwicklungsaufwand und die Produktvielfalt beim Hersteller reduziert werden. Bereits in den Anfängen lag der Fokus auf dem Thema Industrial Ethernet. Im Jahr 2004 fällte die AIDA die Grundsatzentscheidung für Profinet als gemeinsamen Kommunikationsstandard in den Anlagen und der Fördertechnik der deutschen Automobilhersteller. „Die Entscheidung bei Audi fiel auf Profinet und Profisafe. Den Ausschlag gab letztendlich Profisafe, da die konventionelle Sicherheitstechnik immer wieder Probleme bereitete", erinnert sich Kreis. Profisafe minimiert die Verkabelung und verringert die Gerätevielfalt, da es die sicheren und Standard-Daten auf einer Leitung und in einer Station ermöglicht. Die Anlagen lassen sich selbst mit sicherheitsgerichteten Funktionen noch während der Inbetriebnahme anpassen. Dadurch sind Anlagenmodifikationen in deutlich kürzerer Zeit möglich. Die Sicherheit wird lediglich softwaretechnisch angepasst statt die gesamte Hardware zu ändern, indem man beispielsweise Schaltschränke neu konstruiert.

Erstmals beim A4 und R8

Bevor Profinet in die Automatisierungslandschaft bei Audi einzog, galt es dennoch, ein paar Fragen zu beantworten. Insbesondere die Schnittstellen zwischen der Fabrikautomatisierung und der etablierten Unternehmens-IT-Welt warfen Fragen auf, etwa wer die IP Adressen verwaltet, wie groß die IP Adressräume pro SPS sein müssen und wer das ganzheitliche Netzwerk-Monitoring übernimmt. „Diese Fragen waren nicht immer einfach zu beantworten und benötigten viel Zeit", so die Erfahrung von Kreis. Im Jahr 2006 war es dann soweit: Audi startete mit den ersten Umsetzungen - beim A4- und R8-Projekt kam Profinet und Profisafe erstmals gemeinsam zum Einsatz. „Beim R8 gab es zwar nur wenige SPSen, dafür aber umso mehr Devices pro Controller", beschreibt Kreis die Besonderheiten. Dagegen zeichnete sich die A4-Linie durch eine große Anzahl an Profinet-Controllern mit jeweils wenigen Profinet-Devices und einer Feldbusintegration aus. Ideale Bedingungen, um alle Eventualitäten bei den weiteren Schritten der Einführung abzudecken. In den folgenden Jahren wurden verschiedene Linien vom Audi A1 bis zum A8 über mit einer immer weiterreichenden Integration von Profinet/Profisafe automatisiert. Derzeit steht die Einführung beim Audi A3 bevor. Hier werden auch die sicherheitsgerichteten Signale der Roboter eingebunden, ebenso wie die Frequenzumrichter.

Kosten reduziert

„Bereits optisch sind die Vorteile sichtbar, wie man etwa an der Schaltschrankgröße sieht", so Kreis. Niedrigere Kosten bei der Hardware (geringere Kabelanzahl, reduzierte Schaltschrankfläche) und beim Engineering und der Installation (Einsatz von Standardschaltschränken, reduzierte Zahl der Bussysteme) waren Vorteile. Zwar waren die jeweiligen Einzelkomponenten nicht günstiger, aber durch Standardisierungen der Schaltschränke und die Minimierung der Bussysteme und Konzentration diverser Funktionalitäten über eine Schnittstelle wurden die Kosten insgesamt minimiert. Außerdem wurden aufgrund der Einführung von Profisafe weniger Schaltschrankflächen und I/O-Geräte benötigt. Auch beim Engineering zahlt sich Profinet und Profisafe aus. Dank der Standardisierung der Hardwareschnittstellen ist es möglich, typ- und inhaltsgleiche Schaltschränke aufzubauen. Die logische Funktionsunterscheidung wird über Software realisiert. Eindrucksvoll waren zudem die Vorteile bei der Inbetriebnahme und während der Modifikation einer Anlage. „Wir stehen immer mehr unter Druck, eine Anlage in sehr kurzer Zeit umzubauen, um neue Derivate in den Markt zu bringen", erklärt Kreis die Marktlage. „Die Profisafe Technik kommt uns da sehr zugegen." Die Anlagensicherheitsfunktionen können noch während der Inbetriebnahme angepasst werden, es ist kein aufwändiges Umverdrahten notwendig. Dadurch lassen sich Anlagenumbauten in deutlich kürzerer Zeit durchführen. Auch die nun standardisierte Diagnose, neue Fernwartungskonzepte sowie das Energiemanagement werden als Pluspunkt gewertet.
Mittlerweile kommt das Konzept auch in chinesischen Standorten von Audi zum Einsatz. „Aufgrund der diskreten Sicherheitstechnik hatten wir wegen des hohen Platzbedarfes nur zwei Arbeitsstationen mit einer Steuerung verbunden", beschreibt Kreis die Situation vor Ort und ergänzt, dass es nun dank Profinet und Profisafe gelang, bis zu 20 Vorrichtungen an eine SPS anzubinden", zieht Kreis Bilanz.

Schnellere Inbetriebnahmen

Beim klassischen Remote Support kommt es häufig zu Stolpersteinen, etwa weil während der Inbetriebnahme die Netzwerkstruktur fehlt. „Die Freischaltung der Routen im Firmennetzwerk erfordert hohen administrativen Aufwand. Die Verfügbarkeit der Routen für spontane Supporteinsätze ist anfällig und fest installierte Router sind kostenintensiv", berichtet Kreis von seinen Erfahrungen. Ganz anders verläuft es, wenn die Fernwartung flexibel gestaltet werden kann. Es ist weder eine Installation auf dem zu wartenden Gerät notwendig, noch muss eine feste Installation der Fernwartung erfolgen. „Dank Profinet können IT-Standardmechanismen zur Diagnose genutzt werden", so Kreis. „Profinet spart Reisekosten, wenn man z.B. die Reisezeit von 48 Stunden zum chinesischen Fertigungsstandort bedenkt."

Ausblick

Eine durchgängige und standardisierte Automatisierung wird als absolute Notwendigkeit gesehen, um eine Produktion effizient zu steuern, zu überwachen und zu warten. Überdies muss genügend Raum für kommende Entwicklungen bleiben. Dies kann die Einführung neuer Baureihen betreffen, aber auch neue Technologien. Bei Audi ist die Einführung von Profienergy bereits in Planung, um eine Produktion so energieeffizient wie möglich zu gestalten. Weitere Ideen für die Zukunft betreffen die weitere Dezentralisierung und Integration der Sicherheitstechnik, wie z.B. Einführung von Profisafe in der Robotersteuerung. „Die Fertigungsanlage besteht aus standardisierten Geräten, eine Individualisierung erfolgt ausschließlich durch Softwarekonstruktion", so die Idee von Kreis. Auch der klassische Schaltplan steht zur Disposition - die Ablösung des umständlichen Papierausdruckes durch industrietaugliche Tablet PCs kann nach der Meinung von Kreis nur zur Effizienz beitragen. Schließlich werden - so Kreis abschließend - bei der Anwendung von Profinet die Schaltpläne in Papierform sowieso kaum noch genutzt. (gro)

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