Automatisierung

Ersatzteile aus Hochleistungskunststoff für DDR-Kultauto

10.09.2019 -

Es herrschen schwere Zeiten für 30.000 Trabis in Deutschland. Denn Ersatzteile für das DDR-Kultauto sind Mangelware. Wäre da nicht Frank Hofmann, ein Trabi-Liebhaber aus Zwickau, der Verschleißteile nachbauen lässt, zum Beispiel eine Schwenklagerbuchse aus Hochleistungskunststoff für die Lenkung.

Ein SUV mit 400 PS, breit, hoch und dominant, zwei Tonnen schwer. Für viele Menschen ist ein solches Schwergewicht Statussymbol. Nicht aber für Frank Hofmann. Das Herz des gelernten Rundfunk- und Fernsehmechanikers aus Zwickau schlägt für ein anderes Fahrzeug: Es ist klein, bescheiden und nur 26 PS stark. Die Rede ist vom Trabi – gebaut vom VWB Automobilwerk Zwickau von 1958 bis 1990.
Hofmann hat sich als kleiner Junge in das DDR-Kultauto verliebt, in einen Trabi 500, der dem Nachbarn des Großvaters gehörte. „Für mich gab es kein schöneres Auto. Ich hatte mich besonders in das Hinterteil verguckt“, schwärmt Hofmann. „Es stand fest: Irgendwann würde ich selbst stolzer Besitzer sein“. Als junger Erwachsener, im Jahr 2000, dann der Versuch, einen defekten Trabi zu restaurieren. „Ich habe wochenlang Ersatzteilkataloge gewälzt. Fürchterlich frustrierend, weil es viele Teile einfach nicht mehr gibt“, erinnert sich Hofmann. „Dann kam mir die Idee, mich mit einem eigenen Online-Shop für Ersatzteile selbstständig zu machen.“ Gesagt, getan. 2006 ging der Shop Trabantenwelt.de online.
Trabi-Liebhaber finden sich auf der ganzen Welt – allein in Deutschland sind 30.000 Fahrzeuge zugelassen. „Ich habe damals mit drei Kartons im Keller angefangen“, so Hofmann. Heute, 13 Jahre später, sei Trabantwelt.de Marktführer in Deutschland. „Die Ersatzteile füllen drei Lagerhallen – von einzelnen Schrauben für Zierleisten, über Scharniere für Kofferraumklappen bis hin zu ganzen Fahrwerken und Tuningmotoren mit 35 PS.“ Zwölf Mitarbeiter kümmern sich um den Versand der mittlerweile 1.800 Teile und sorgen für Nachschub.

Schwierige Ersatzteilversorgung erfordert Alternativen

Die Ersatzteilversorgung hat ihre Tücken. Beispiel Lenkung. Mangelware sind Schwenklagerbuchsen für die Achsschenkel, die schwenkbaren Radträger. „Nach dem Mauerfall gab es ein Lager in Werdau, das geräumt wurde. Wir haben die Originalbuchsen schaufelweise abtransportiert und hatten Ruhe“, erzählt Hofmann. Doch dann der Schock im Lager, als die blaue Kiste mit den Buchsen leer war. Was nun? Importware aus einfachem Kunststoff kam nicht in Frage, zu schlecht ist die Qualität, zu gering die Lebensdauer. „Wir wollten deswegen die Komponenten selbst fertigen lassen.“ Und so hat sich Hofmann im Internet auf die Suche nach einem Partner für die Fertigung der Schwenklagerbuchsen gemacht.

Cross-Rennen als Feuertaufe für Schwenklagerbuchsen aus Kunststoff

Fündig geworden ist Hofmann bei Igus – ein Kölner Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Hochleistungskunststoffen spezialisiert hat und Serien- und Sonderlager im Spritzgussverfahren und mit 3D-Druckern herstellt. „Viele Hersteller bieten eine Fertigung erst ab einigen hunderttausend Exemplaren an. Entsprechend froh war ich, dass sich bei Igus auch wesentlich kleinere Serien wirtschaftlich herstellen lassen“, sagt Hofmann. Und so begann die Zusammenarbeit. Eine Originalbuchse ging per Post nach Köln. Es folgte eine Konstruktionszeichnung. Eine Drehmaschine erstellte einen Prototyp. Den Prototyp wollte Hofmann vor der Serienfertigung testen. Wie gerufen kam dafür das Acht-Stunden-Stoppelfeldrennen im sächsischen Pausa. Die Renn-Trabis flitzen stundenlang über unebenes Gelände – eine Belastungsprobe für die Lenkung. Ein befreundetes Rennteam konnte Hofmann von einem A-B-Vergleich überzeugen. In einem Fahrzeug kamen die Original-DDR-Buchsen zum Einsatz, im anderen die Buchsen aus Iglidur-Hochleistungskunststoff. Welche Variante würde siegen? Nach dem Cross-Rennen legte sich Hofmann unter die Autos, gespannt zu sehen, wie es den Buchsen ergangen ist. Das Ergebnis überraschte. Die DDR-Buchse war ausgeschlagen, der Wettbewerber aus Köln hingegen hatte kaum etwas abbekommen. „Das war eine phänomenale Feuertaufe“, freut sich Hofmann. „Für uns stand ab diesem Moment fest: Die Produkte sind als Ersatzteile Gold wert.“ Und so begann die Serienproduktion. Zum Einsatz kam das Spritzgussverfahren, bei dem aufgeschmolzener Kunststoff durch eine Düse in ein geschlossenes Werkzeug gespritzt wird und aushärtet. Die gespritzten Gleitlager sind im Vergleich zu den gedrehten Varianten nochmals robuster. „Mit dieser Qualität schießen wir uns als Händler fast schon selbst ins Bein“, lacht Hofmann. „Die Gleitlager sind so robust, sie halten unfassbar lange. Ein Kunde, der die Lager kauft, wird so schnell also kein weiteres benötigen.“

Hochleistungskunststoff macht Lenkung leichtgängiger

Doch was macht den Qualitätsunterschied aus? Die Original-Buchsen bestehen aus mit Harz verpressten Textilabfällen. Die Pendants aus Köln hingegen aus Iglidur J, ein Hochleistungskunststoff, den das Unternehmen im Labor entwickelt hat. „Das Material hat eine Dichte von 1,49 g/cm3 und eine Druckfestigkeit von 35 MPa – das entspricht in etwa dem Druck von zwei Kleinwagen, die auf einem Zeigefinger lasten“, erklärt Kevin Buettner, technischer Verkaufsberater bei Igus. Das Material sei so robust und verschleißfest, dass es sich in der Industrie zu einer beliebten Alternative zu metallischen Gleitlagern entwickelt hat. „Der Hochleistungskunststoff ist eine Mischung aus einem Basispolymer, Fasern und Füllstoffen sowie Festschmierstoffen", erklärt Büttner. „Die Basispolymere sind entscheidend für die Verschleißfestigkeit. Die Fasern und Füllstoffe verstärken die Lager, sodass sie auch hohe Kräfte und Kantenbelastungen aufnehmen.“ Ein weiterer Vorteil zu den Original-Buchsen: Das DDR-Produkt ist hygroskopisch. Es nimmt über seine poröse Oberfläche Wasser auf und quillt auf wie ein Schwamm. „Viele Trabi-Besitzer haben deshalb mit schwergängigen Lenkungen zu kämpfen“, erklärt Hofmann. „Ein Problem, das die Gleitlager aus Hochleistungskunststoff gelöst haben.“ Die Feuchtigkeitsaufnahme der Lager aus dem Polymer Iglidur J beträgt im Normalklima etwa 0,3 Prozent. „Die Lenkung bleibt somit dauerhaft leichtgängiger.“ Anwender müssen die Lager nicht schmieren – sie ermöglichen einen Trockenlauf mit sehr niedrigen Reibwerten. Festschmierstoffe, mikroskopisch kleine Partikel, lösen sich automatisch, schmieren die Lager und vermindern Reibung. Dass Hofmann Kunden trotzdem empfiehlt, die Lager zu schmieren, hat einen anderen Grund. Die Schmierung schützt die Welle der Lenkung vor Korrosion.

 


Bildunterschriften:

Igus_1_mda0819: Blick unter den Trabi: Die Spurstangen schwenken den Achsschenkel. In die Achsschenkel eingepresst sind die verschleißfesten und wartungsfreien Iglidur-J-Gleitlager.

Igus_2_mda0819: Schwenklagerbuchsen im Vergleich: Links DDR-Originale aus mit Harz verpressten Textilabfällen, rechts Buchsen von Igus aus Hochleistungskunststoff.

 

Kontakt

Igus GmbH

Spicher Str. 1 a
51147 Köln

+49 2203 9649 0

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