Automatisierung

Stärken und Schwächen von Getrieben kennen

05.04.2023 - Thermische Getriebeberechnung über den digitalen Zwilling

Wie hoch sind Leistungsverluste und Erwärmung von Getrieben in der Anwendung und mit bestimmten Motoren? Wo liegen die thermischen Leistungsgrenzen, wo die optimalen Betriebspunkte von Getrieben und Motor-Getriebe-Kombinationen in einer Applikation? Welche Auswahloptionen bei Getrieben und Motoren gewährleisten hohe thermische Effizienz? Antworten auf diese Fragen, die schon in der Planungsphase einer Antriebslösung auftreten, kann ein digitaler Zwilling des Getriebes liefern. 

In einem Projekt, in dem die Ziele Mehrwert durch Digitalisierung und Nachhaltigkeit durch Energieeffizienz miteinander verbunden werden konnten, hat Wittenstein Alpha zusammen mit einem strategischen Partner einen neuen Ansatz für die thermische Getriebeberechnung entwickelt. Hierfür wurden über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren in rund 100 Wochen etwa 80 SP+- und NP-Getriebevarianten von Wittenstein Alpha in Kombination mit Motoren auf Prüfständen vermessen. Die Versuche lieferten die Datenbasis für einen theoretischen Ansatz und darauf aufbauend ein Rechenmodell, dessen Genauigkeit sich in hohem Maße bestätigt hat. Dadurch lassen sich ohne Zusatzkosten und Zeitverlust durch Tests und Simulationen thermischen Grenzkurven unterschiedlicher Motor-Getriebe-Kombinationen bestimmen und geeignete Komponenten auswählen.

Mit dem Ziel, die Wertschöpfung durch Digitalisierung intern wie auch bei Anwendern nachhaltig zu erhöhen, implementiert Wittenstein in immer mehr Produkte, Prozesse und Services eine Asset Administration Shell. Dieser standardisierte digitale Zwilling, über den Wittenstein-Produkte kommunizieren können, verbindet den Entstehungsprozess und Lebenszyklus eines Produktes mit dessen Nutzungskreislauf beim Kunden und in der Applikation – nahtlos und unabhängig von Gateways oder IIoT-Plattformen. Als Gründungsmitglied der Industrial Digital Twin Association (IDTA) orientiert sich das Unternehmen dabei an dem in diesem Gremium erarbeiteten, standardisierten Konzept der Asset Administration Shell. Dadurch gewährleistet Wittenstein eine durchgängige Interoperabilität seiner Produkte und Services beim Austausch von Hersteller- und Produktlebenszyklus übergreifenden Informationen. 

Diese Eigenschaft des standardisierten digitalen Zwillings eines Getriebes ist die Basis dafür, zukünftig mit der Auslegungssoftware Cymex 5 als kundenseitigem Interaktionspunkt bei der Auswahl von Getrieben unter anderem thermische Grenzkurven von Motor-Getriebe-Kombinationen zu berechnen und so eine punktgenaue thermische Bewertung für konkrete Kundenanwendungen durchführen zu können. Mit der Software besteht die Möglichkeit, neben etwa 10.000 verschiedenen eigenen Getriebevarianten auch auf die Kennwerte von 20.000 am Markt verfügbare Motorvarianten von Wittenstein Alpha und anderen Herstellern zuzugreifen und für die Getriebe- und Antriebsauslegung zu nutzen. 

Data-Matrix-Code als Produkt-ID und Schnittstelle zum digitalen Zwilling 

Ein digitaler Zwilling ist die virtuelle, digitale Repräsentanz eines physisch greifbaren Objektes wie zum Beispiel einer bestimmten Getriebevariante. Dabei bildet das digitale Double gleichzeitig zwei Welten ab: zum einen die Kundenperspektive – also den Lebenszyklus beim Anwender, in der Anlage, in der Applikation – zum anderen den Produktlebenszyklus im direkten Herstellerumfeld. Aufgabe des digitalen Zwillings ist es somit, alle verfügbaren Produktinformationen zu einem Getriebe zu verzahnen sowie schnell, automatisiert und effizient entlang des gesamten Lebenszyklus der Produkte bereitzustellen. Dies gilt auch für die thermische Getriebeberechnung.

Um ein reales Getriebe als echtes Produktunikat identifizieren und eindeutig seiner digitalen Asset Administration Shell zuordnen zu können, wird bei Wittenstein Alpha seit einigen Jahren jedes Serienprodukt mit einem Data-Matrix-Code gekennzeichnet, der als sogenannter Identification Link die Vorgaben der Norm IEC TS 61406 erfüllt. Der Link fungiert dabei als Produkt-ID und zugleich auch als Webadresse des digitalen Zwillings  und der mit ihm verbundenen Interaktionspunkte und IT-Systeme.

Aus Anwendersicht erleichtert der digitale Zwilling die grundsätzliche Informationsbeschaffung zum Produkt – unter anderem durch den Zugriff auf die Auslegungssoftware Cymex 5, die ihn als gemeinsamer Interaktionspunkt bei der Auswahl der bestmöglichen Antriebslösung und Komponenten unterstützt. Für den Anwender unsichtbar wird das Auslegungstool gleichzeitig kontinuierlich mit neuen Daten gefüttert, beispielsweise durch die Produktentwicklung bei Wittenstein Alpha, in der teils sehr spezifische Produkt-Simulationsmodelle wie FEM-Analysen oder Modelle in Bezug auf Reibmomente in Getriebestufen oder das Wärmeverhalten entstehen. Auf diese Weise stellt die thermische Berechnung und Auslegung von Getrieben einen weiteren Mehrwert, eine zusätzliche digitale Wertschöpfung, dar.

Thermische Getriebeberechnung als Beratungsleistung

Wer Getriebe nur nach den Angaben im Katalog oder auf dem Datenblatt auswählt, verschenkt mit Blick auf den gesamten Servoantrieb in vielen Fällen Leistungsreserven oder erkennt mögliche Downsizing-Potenziale nicht. Aber auch potenzielle Gefahren durch Leistungsverluste und Überhitzung, die zu Verschleiß, eingeschränkter Funktionsfähigkeit und reduzierter Lebensdauer führen können, könnten übersehen werden. Positiv ausgedrückt: Eine möglichst konstante Getriebetemperatur innerhalb spezifizierter Werte ist für einen langlebigen Betrieb optimal, weil das Getriebe dabei bestmöglich geschmiert, der Verschleiß minimiert und ein optimaler Wirkungsgrad erreicht wird. Deswegen ist applikationsnahe Beratungskompetenz für eine funktions- und energieeffiziente Auslegung von Antriebssträngen unerlässlich. 

Ein schon immer wichtiger Aspekt der Auslegung und daher integraler Bestandteil der Beratungsleistungen von Wittenstein Alpha ist die thermische Getriebeberechnung, die jetzt durch das zweijährige Digitalisierungsprojekt verbessert werden konnte. Hierbei wurden die Ergebnisse der in den Versuchen aufgezeichneten Wärme- und Verlustmessungen mit Hilfe von Python-Programmen einer professionellen Datenanalyse unterzogen und auf den kompletten Leistungsbereich der geprüften SP+- und NP-Getriebe extrapoliert. Zudem wurden die Ergebnisse der Referenzmessungen auf alle weiteren Baugrößen und Übersetzungsvarianten dieser Getriebebaureihen skaliert. Ergänzt wurden diese Daten durch Messungen zum Wärmewiderstand sowie durch Berechnungen zu Wärmekapazitäten und Oberflächen der Getriebe. Auf dieser Basis wurden mit einem Rechenansatz eines thermischen Ersatzschaltbildes die thermischen Grenzkurven von Motor-Getriebe-Kombinationen bestimmt. Diese erlauben jetzt eine schnelle, einfache und dennoch sehr präzise thermische Bewertung in konkreten Kundenanwendungen, denn Validierungsmessungen haben die Genauigkeit des Rechenmodells in einem sehr hohen Maß bestätigt. 

Autor
Matthias Beck, Leiter Entwicklung

Kontakt

Wittenstein AG

Walter-Wittenstein-Str. 1
97999 Igersheim
Deutschland

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